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Das Franziskanerkloster St. Johannis in Kyritz entstand in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Im ausgehenden Mittelalter erlangte das Kloster innerhalb des Konvents überregionale Bedeutung. Zu den Förderern des Klosters gehörten markgräfliche Amtsträger, aber auch wohlhabende Bürger – und nicht nur aus Kyritz. Nach der Aufhebung des Klosters 1541 erhält ein Landadliger das Klostergelände als Lehen und überträgt einen Teil der Anlage an die Stadt als Armenhaus. Nachdem diese Gebäude verfielen, erfolgt zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Abriss. Die Klosterkirche diente im 17. Jahrhundert als Stadt- und danach als Garnisonskirche und wurde Ende des 18. Jahrhunderts bis auf den erhaltenen Teil der nördlichen Längswand abgebrochen. Lediglich der als Wohnhaus genutzte und in Barock umgebaute Klausurflügel blieb erhalten.
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Entstehung und Entwicklung des Klosters
„Kloster“ leitet sich aus dem lateinischen „claustrum“ ab, was „geschlossener Ort“ bedeutet. Obwohl das im Nordwesten der damals ebenfalls ummauerten Stadt gelegene, dem heiligen Johannis geweihte Franziskanerkloster eine Klostermauer besaß und rechtlich selbständig bestand, waren Teile des Klosters auch öffentlich zugänglich. Außerdem diente das Gelände im Süden als Friedhof sowohl für Mönche als auch für Bürger. Die Klosterkirche war Grablege für den Adel. Vermutlich Mitte der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte sich der von Franz von Assisi gegründete, in dieser Zeit stark expandierende Bettelorden in der damals aufstrebenden Stadt – die einige Jahrzehnte zuvor das Stadtrecht erhalten hatte – niedergelassen.
Seit Klostergründung dürfte sich die Anlage – begleitet durch nachweisbar intensivere Bauphasen – ständig erweitert haben und erlangte schnell überregionale Bedeutung. Beispielsweise tagte das sächsische Provinzkapitel des Ordens 1347 in Kyritz und Matthias Döring stellte das Kloster im 15. Jahrhundert über mehrere Jahrzehnte den Provinzialminister der sächsischen Ordensprovinz, die damals von der Weser bis nach Riga und im Süden bis Prag reichte.
Nach Veröffentlichung der Thesen Luthers im Jahr 1517 änderte sich im damaligen Land Brandenburg anfangs wenig. So bestätigte der Landesherr Joachim I. dem Kloster 1519 die weitere Nutzung des Klostergartens auf dem Hahnenwinkel und der Franziskanerorden, der die Provinz Saxonia in eine Heilig-Kreuz- und eine Johannisprovinz und letztere um 1520 nochmals in eine nieder- und obersächsische Nation geteilt hatte, tagte mit dem Provinzkapitel der Johannisprovinz niedersächsischer Nation noch 1530 innerhalb der Kyritzer Klostermauern.
Erst als Kurfürst Joachim II. 1539 zum Luthertum übertritt, findet 1541 die erste Visitation zur Erfassung der Besitzungen und Wertgegenstände des Klosters und dessen Auflösung (Säkularisierung) statt.
Säkularisierung des Klosters
Kein Stadtquartier in der Altstadt kann mehr Funktionen und Nutzungen aufweisen als das heutige Klosterviertel. Nach annähernd 300 Jahren als Mönchskloster folgten nach der Säkularisierung die vielfältigsten Nutzungen der Gebäude und Freiflächen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind nachfolgende Nutzungen überliefert:
Rittergut, Hospital, Stadtkirche, barockes Landhaus, Stall, Montierungskammer, Lazarett, Pulverkammer, Garten, Brennerei, Badehaus, Plettstube, Mehrfamilienhaus, Ladengeschäft, Tankstelle, Autowerkstatt, Chemische Reinigung, Wäscherei, Gaststätte und Theaterbühne.
Die Umnutzung begann 1548, als Joachim II. dem Adligen von Klitzing mit Sitz auf Schloss Demerthin das Klostergelände als Lehen überträgt, das später mehrfach als Lehensgut „Klosterhof“ genannt wird. Einen Teil des Klostergeländes treten die von Klitzings an die Stadt ab, die 1552 das St. Spiritushospital in das ehemalige Kloster verlegt. Zu dieser Zeit wohnt der frühere erste Minister der niedersächsischen Johannisprovinz, Dr. Funk, auf dem Klostergelände, und drei Jahre zuvor sind noch vier Mönche im ehemaligen Kloster nachgewiesen.
Bei der 3. Visitation des ehemaligen Klosters wird u.a. das St. Spiritushospital inspiziert und im Visitationsbericht vom 29. Juni 1581 festgehalten: „… und den armen selbst zum besten ihn das closter transferieret vnnd gelegen worden, dabei es die visitatoren wollen bleyben lassen.“
Im Dreißigjährigen Krieg wird die Stadt mehrfach geplündert und gebrandschatzt. Der Stadtbrand von 1622 zerstört auch die Stadtkirche St. Marien stark und da die Stadt den Wiederaufbau nicht finanzieren kann, finden die Gottesdienste fast 100 Jahre in der früheren Klosterkirche statt.
Verlust der ehemaligen Klostergebäude
Vom Niedergang durch den dreißigjährigen Krieg erholt sich die Stadt auch Jahrzehnte später nur sehr langsam. Die Folge ist u.a. der Verkauf des städtischen Teils des Gutes „Klosterhof“ im Jahr 1704 mit der Auflage, alte baufällige Gebäude abzureißen und mit den gewonnenen Steinen die anderen Bauten wieder instand zu setzen.
Die ehemalige Klosterkirche wird nach 1718 auch als Garnisonskirche genutzt, da die Stadt seit dieser Zeit Garnisonsort des 2. Kürassierregiments ist, dass später die als „Alte Kapelle“ bezeichneten Räumlichkeiten als Montierungskammer nutzt.
In den Jahren 1757/58 baut die damalige Eigentümerin den früheren Klausurflügel im Stil des Barocks um, was im Inneren des Gebäudes bis heute erkennbar ist. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wechselt das Grundstück mehrfach den Besitzer, u.a. ist der damalige 1. Königliche Hof- und Leibarzt Friedrich II. (des Großen) zeitweilig Eigentümer des Grundstücks. Trugen die Nutzungsänderungen bis Mitte des 18. Jahrhunderts noch zum weitgehenden Erhalt der mittelalterlichen Klosteranlage bei, führten die Funktionsverluste der folgenden Jahrzehnte dazu, dass 1781 auf einem öffentlichen Termin die Kirche und Teile der Klostermauer zur Baumaterialgewinnung versteigert wurden. 1789 erfolgte der Abriss des Westflügels und 1790 der ehemaligen Klosterkirche.
Damit waren Ende des 18. Jahrhunderts nur noch der ehemalige Klausurflügel, Teile der nördlichen Kirchenwand mit der sogenannten „Pforte“ sowie Reste von Stadt- und Klostermauer erhalten.
Das ermöglichte eine teilweise stadträumliche Neuordnung des Gebietes. Die heutige Johann-Sebastian-Bach-Straße erhält im nördlichen Abschnitt eine geänderte Trassenführung über ehemaliges Klostergelände und an diesem Straßenabschnitt entstehen noch Ende des 18. Jahrhunderts neue Gebäude.
Städtebauliche Neuordnung
Innerhalb des östlichen Teils des ehemaligen Schiffes der Klosterkirche entsteht das heutige Fachwerkhaus Johann-Sebastian-Bach-Straße 4, dessen Südgiebel auf den Fundamenten der früheren Südwand der Kirche gründet. Beidseitig des neuen Straßenverlaufs errichtet man weitere Wohnhäuser wie den Barockbau Johann-Sebastian-Bach-Straße 7.
Im Jahr 1808 – während der Napoleonischen Kriege – dient der als barockes Landhaus überformte Klausurflügel als Lazarett für französische Truppen. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstehen auf dem ehemaligen Klostergelände neue gewerbliche Nutzungen. In einer in der Gutsbesitzerzeit erbauten Scheune richtet der damalige Eigentümer 1848 eine Destillationsanstalt ein, die einige Jahre später abbrennt. Danach baut er das bis heute erhaltene Gebäude der Brennerei und in den 1870er Jahren auf der Ostseite am südlichen Ende des ehemaligen Klausurgebäudes ein Badehaus sowie am Nordgiebel eine unterkellerte Plettstube.
Im Jahr 1928 entsteht im nördlichen Teil des ehemaligen Klausurflügels durch Um- und Ausbau eine Autowerkstatt, deren Anbau auf der Gartenseite bis heute erhalten ist. Etwa ein Jahrzehnt später wird in der Kurve Johann-Sebastian-Bach-Straße eine Tankstelle gebaut, die bis Ende der 1970er Jahre in Betrieb war.
Der VEB Dienstleistungskombinat Kyritz eröffnet 1985 eine Textilreinigung, die nach 1992 durch einen privaten Eigentümer bis zum 31.12.2015 als Wäscherei und chemische Reinigung weitergeführt wird.
Nach zwischenzeitlichem Leerstand aller Gebäude sind die Häuser Johann-Sebastian-Bach-Straße 4 (2001/02), Nr. 6 (2015-17), Stadt- und Klostermauer sowie Kirchenwand und Pforte grundhaft saniert und bilden die ersten funktionsfähigen „Bausteine“ für den geplanten „Kulturstandort Klosterviertel Kyritz“.
Text: Rainer Lehmann, ews Stadtsanierungsgesellschaft